Initiative "Mein Windelzuschuss": Nachhaltiges Wickeln wieder gefördert

Kiel, die erste Stadt Deutschlands mit dem Titel "Zero Waste Certified City", hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2035 soll der Restmüll halbiert und die Gesamtabfallmenge um 15% gesenkt werden. Doch ein zentrales Problem bleibt ungelöst: Wegwerfwindeln sind weiterhin eine riesige Müllquelle und es gibt keine finanzielle Unterstützung für Alternativen. Täglich werden in Kiel rund 34.500 Windeln entsorgt – das sind über 12,6 Millionen Windeln pro Jahr. Jede einzelne benötigt bis zu 500 Jahre, um sich zu zersetzen.

Baby mit Stoffwindel
Baby mit Stoffwindel, © Mein Windelzuschuss

Bis vor Kurzem wurde die Nutzung von Stoffwindeln in Kiel finanziell gefördert, doch diese städtische Unterstützung wurde gestrichen. Während Eltern also weiterhin mit Wegwerfwindeln Müllberge produzieren, fehlt ein Anreiz für nachhaltige Alternativen. Genau hier setzt die private Initiative "Mein Windelzuschuss" an und bringt die Förderung zurück.

Eltern in Kiel können sich ein Stoffwindelpaket im Wert von 200,- Euro für nur 80,- Euro sichern. Die Differenz von 120,- Euro übernimmt die Initiative. Diese Förderung ist kein kommunales Zuschussprogramm, sondern ein privat organisiertes Pilotprojekt. Kiel gehört damit zu den ersten zehn Städten, die von dieser unabhängigen Förderung profitieren.

Moderne Stoffwindeln – eine einfache und nachhaltige Alternative

Viele Vorurteile gegen Stoffwindeln halten sich hartnäckig: Sie seien kompliziert, unhygienisch und mit großem Aufwand verbunden. Doch die Realität sieht anders aus. Moderne Stoffwindeln sind genauso einfach anzulegen wie Einwegwindeln. Dank Klett- oder Druckknöpfen sind sie in wenigen Sekunden einsatzbereit. Durch ein Windelvlies lässt sich das Geschäft unproblematisch und hygienisch entsorgen, die Stoffwindel kann einfach gewaschen werden.

Auch der Wäscheaufwand hält sich in Grenzen – zwei Maschinenladungen pro Woche reichen völlig aus. Verena Hinz, Hebamme und Geschäftsführerin der Stoffwindelmarke Hinzling, betont: "Eltern wollen bewusste Entscheidungen für ihre Babys treffen. Stoffwindeln sind nicht nur nachhaltiger, sondern auch hautfreundlicher und praktischer als viele denken."

Zusammengefasst bieten Stoffwindeln gegenüber Wegwerfwindeln eine Reihe von Vorteilen, die sie zu einer attraktiven Alternative machen:

  • Kosteneffizient auf lange Sicht: Auch wenn die Anschaffungskosten für Stoffwindeln zunächst höher sind, erweisen sie sich auf lange Sicht als deutlich günstiger. Während Eltern für Wegwerfwindeln schnell über 2.000,- Euro ausgeben, kostet ein Stoffwindelset für die gesamte Wickelzeit nur 500,- bis 600,- Euro und kann sogar für mehrere Kinder genutzt werden.
  • Hautfreundlicher durch atmungsaktiven Stoff: Stoffwindeln sind aus atmungsaktivem Material gefertigt, was bei Wegwerfwindeln nicht der Fall ist. Das macht sie hautfreundlicher und reduziert das Risiko von Windelausschlägen und Irritationen.
  • Mitwachsende Windeln durch Druckknopfsystem: Moderne Stoffwindeln verfügen über ein praktisches Druckknopfsystem, das es ermöglicht, die Größe der Windel anzupassen. So wachsen die Windeln mit dem Baby mit und können über einen längeren Zeitraum verwendet werden.
  • Mülleffizient und hygienisch dank Vlieseinlagen: Das Geschäft des Babys wird in einem eingelegten Vlies aufgefangen, das bei einem kleinen Geschäft auch gewaschen und mehrfach genutzt werden kann. So lässt sich der anfallende Müll deutlich reduzieren.

Erfolg der Stoffwindelförderung in Kiel

Die Förderung von Stoffwindeln in Kiel wurde in den vergangenen Jahren gut angenommen und hat bereits Wirkung gezeigt. Im Jahr 2022 haben 250 Familien die Förderung in Anspruch genommen und dadurch 100 Tonnen Restmüll gespart. Das zeigt, dass finanzielle Anreize einen wichtigen Beitrag zur Müllvermeidung leisten können.

In den meisten Fällen scheiterte die Weiterführung der städtischen Stoffwindelförderung an finanziellen Gründen. Auch in Kiel ist die Fortführung an der Haushaltsplanung gescheitert, obwohl die Förderung zuvor gut angenommen wurde und positive Effekte gezeigt hat.

Ziel: Müllvermeidung und finanzielle Entlastung der Kommunen

Baby guckt in ein Stoffwindelpaket vom Ananas Shop rein
Ein Stoffwindelpaket vom Ananas Shop, © Mein Windelzuschuss

Das übergeordnete Ziel der Initiative ist es, die Entstehung von Windelmüll grundsätzlich zu vermeiden. Davon profitieren auch die Kommunen auf lange Sicht finanziell, da die Entsorgung von Wegwerfwindeln zusätzliche Kosten verursacht. Durch den hohen Feuchtigkeitsgehalt der Windeln wird bei der Verbrennung zusätzliche Energie benötigt, ohne dass dabei Energie zurückgewonnen werden kann. Stoffwindeln können dazu beitragen, diese Probleme zu reduzieren.

Langfristig hofft Andrea Bettinger, dass die Kommunen durch Initiativen wie "Mein Windelzuschuss" dazu bewegt werden, die Förderung von Stoffwindeln wiederaufzunehmen oder neu einzuführen. Ihre Idealvorstellung wäre ein bundesweiter Zuschuss für Stoffwindeln nach österreichischem Vorbild.

Einwegwindeln: Ein unterschätztes Kostenproblem für Städte

Wegwerfwindeln stellen dadurch nicht nur eine ökologische Herausforderung dar, sondern sind eben auch ein finanzielles Problem für die Städte. Sie machen rund 15% des Hausmülls aus und treiben die Entsorgungskosten in die Höhe. Obwohl nachhaltige Alternativen existieren, fehlt in Kiel derzeit eine Unterstützung für Familien, die aktiv zur Müllvermeidung beitragen wollen.

Andere Städte haben längst erkannt, dass ein finanzieller Anreiz Wirkung zeigt. München beispielsweise fördert Stoffwindeln mit bis zu 100,- Euro pro Kind, um jährlich 200 Tonnen Windelmüll einzusparen. "Viele Familien möchten nachhaltiger wickeln, aber die hohen Einstiegskosten schrecken ab. Mit unserem Zuschuss möchten wir ihnen den Umstieg erleichtern", sagt Andrea Bettinger, Initiatorin von "Mein Windelzuschuss".

Die Initiative "Mein Windelzuschuss"

Die teilnehmenden Stoffwindelmarken geben die Windelpakete zum Einkaufspreis an die Eltern weiter und verzichten auf ihre Gewinnmarge. Das Projekt soll in erster Linie für mehr Sichtbarkeit des Themas sorgen und Familien dafür begeistern, Stoffwindeln auszuprobieren. Die Initiative hat keine feste Laufzeit, sondern schaut, wie gut das Angebot angenommen wird. Mit mindestens einem Jahr der Förderung ist aber zu rechnen.

Andrea Bettinger, Gründerin des Stoffwindelshops Ananas Shop und Initiatorin des Projekts, hat selbst beim zweiten Kind aufgrund eines Ausschlags durch Wegwerfwindeln auf Stoffwindeln umgestellt. Daraufhin gründete sie ihr eigenes Unternehmen, das Stoffwindeln aus recyceltem Polyester und Biobaumwolle herstellt.

Durch den Rückgang der kommunalen Förderung ist die Bestellung von Stoffwindeln erheblich zurückgegangen, was aus Sicht der Müllvermeidung und des Umweltschutzes kein gutes Zeichen ist. Deshalb hat sich Andrea Bettinger mit anderen Unternehmen zusammengeschlossen, um in zunächst 10 Städten die Initiative "Mein Windelzuschuss" ins Leben zu rufen.

In der Vergangenheit konnte sie bereits beobachten, dass die Förderung einiger Kommunen zu einem deutlichen Anstieg der Stoffwindelbestellungen geführt hat. Das bestärkte sie in ihrer Überzeugung, dass es eine Nachfrage gibt und das Angebot gut angenommen wird.

Auswahl der teilnehmenden Städte

Die ersten 10 Städte, die für die Initiative ausgewählt wurden, sind über ganz Deutschland verteilt und von unterschiedlicher Größe. Neben kleineren Städten wie Hildesheim und Weimar sind auch größere Städte wie Nürnberg, Münster und Kiel dabei. Die Auswahl soll zeigen, dass das Interesse an Stoffwindeln nicht von der Größe der Stadt abhängt.

Andrea Bettingers Wunsch an Eltern

Mein Windelzuschuss-Initiatoren Andrea und Philipp Bettinger sitzen am Esstisch
Mein Windelzuschuss-Initiatoren Andrea und Philipp Bettinger, © Mein Windelzuschuss

Andrea Bettinger wünscht sich, dass Eltern dem Thema Stoffwindeln entspannt gegenüberstehen. Es geht nicht darum, mit einer Alles-oder-Nichts-Mentalität komplett auf Stoffwindeln umzusteigen oder sie völlig abzulehnen. Vielmehr hofft sie, dass Eltern offen sind, Stoffwindeln auszuprobieren und selbst zu erleben, wie einfach und praktisch sie sein können.

Wie funktioniert es?

Ab dem 18. März 2025 können interessierte Eltern über die Website mein-windelzuschuss.de den Windelzuschuss bestellen. Es werden Pakete in zwei Größen angeboten, beide stark bezuschusst. Zur Erinnerung: ein Stoffwindelpaket im Wert von 200,- Euro gibt es im Rahmen der Aktion für nur 80,- Euro zu kaufen.

Die Förderung richtet sich an Erziehungsberechtigte von Säuglingen oder Kleinkindern bis 24 Monate, die ihren Hauptwohnsitz in Kiel haben. Der Zuschuss kann einmalig pro Kind beantragt werden.

Es ist wichtig zu beachten, dass die angebotenen Pakete nicht ausreichen, um vollständig auf Stoffwindeln umzusteigen. Sie dienen vielmehr als Einstieg in der Hoffnung, dass Familien das Konzept testen und anschließend weitere Windeln bestellen.

Starke Partner für eine nachhaltige Zukunft

Die Initiative wird von der 8adventures Group organisiert und in Kooperation mit Stoffwindelmarken wie Hinzling, Avo&Cado (Minzze GmbH), Eco Mini, Ohalea und soulely umgesetzt. "Ohne die Hilfe und Zusammenarbeit dieser tollen Stoffwindelmarken wäre die Initiative nicht möglich gewesen", bedankt sich Andrea Bettinger.

Die Unternehmen haben sich ambitionierte Ziele für eine müllfreie Zukunft gesetzt – doch ohne gezielte Förderung bleibt das Potenzial ungenutzt. "Mein Windelzuschuss" gibt Familien die Chance, aktiv einen Beitrag zur Müllvermeidung zu leisten. Sollte das Projekt Anklang finden, könnte dies zukünftige kommunale Förderungen beeinflussen und den Weg für eine nachhaltigere Wickelkultur ebnen.

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